Stadthauspark Luzern
Sage und Hintergrund
Als Luzern durch einen Wechsel der Herrschaft an Österreich kam, widersetzten sich dem die Leute des Gebirges und so geriet Luzern in Ungemach. Und als die drei Länder sich der Herrschaft entledigten und einen ewigen Bund schworen, wurden die von Luzern rats, sich gleichfalls der Herrschaft zu entziehen und sich mit den Ländern in einem Bunde zu verpflichten. Das war aber damals nicht allen zu Luzern genehm. Etliche wären lieber Österreicher geblieben. Als nun die, welche gerne Österreicher geblieben wären, sahen und merkten, daß sie die Oberhand nicht erhalten konnten, schlossen sie eine heimliche Gesellschaft und ein Bündnis miteinander und verbanden sich mit Gelübden und Eiden. Sie trugen alle gemeinschaftlich eine Livree, damit sie einander erkennen und die Livree war ein Rock mit rotem Ärmel.
Da sie nun solches Bündnis untereinander bestätigt und gefestigt hatten, sahen sie sich vor und waren guter Hoffnung. Und sie wurden miteinander rätig, sich auf eine Nacht zu sammeln und denen, die Eidgenossen werden wollten, mit Gewalt in die Häuser zu dringen und ihnen, weiß Gott was, anzutun. Und sie beschlossen sich zu sammeln und zu vereinen unter den großen Schwibbogen unter des von Wyl Haus und unter der Trinkstube der Schneider. Das taten sie deshalb, weil sie meinten, dort würde ihrer niemand gewahr, denn sie konnten sich sonst in der Stadt nirgends heimlich treffen. Damals wanderten nämlich die Wächter noch nicht in allen Winkeln herum.
Als sie sich um Mitternacht sammelten, kam von ungefähr, oder vielleicht nach Gottes Wille und Gefallen, ein Knabe und wollte dort vorbei gehen. Da er aber die Leute brummeln und die Harnische klingeln hörte, erschrak er, fürchtend, es wäre ein Ungeheuer und kehrte um, zu fliehen. Da gewahrten ihn einige, liefen ihm nach, fingen ihn und drohten ihm bei seinem Leben, er müsse sofort sterben, wenn er schreie oder sich etwas merken ließe. Da machte der Knabe, was sie ihn hießen, und tat, als wollte er bei ihnen bleiben. Sie ließen ihn schwören bei Gott und den Heiligen, die, Sache keinem Menschen zu sagen. Der Knabe tat es willig, um nicht getötet zu werden und als sich immer mehr sammelten, vernahm der Knabe ihren Entschluß, was sie in dieser Nacht ankehren und unternehmen wollten.
Als sie so untereinander ratschlagten, hatte keiner mehr des Knaben acht, und als der das merkte, schlich er säuberlich fort, ging die Stiegen beim Haus der Schneider hinauf in die Gasse, schaute umher, wo er ein Licht sähe, und als er auf der Metzgernstube ein großes Licht bemerkte, war er froh und begab sich hinauf und hinter den Ofen. Da waren noch viel Leute, die spielten und tranken, wie es Gewohnheit ist, daß man auf der Metzgernstube länger sitzt als anderswo.
Als der Knabe hinter dem Ofen saß, fing er an und redete laut: «Oh Ofen, Ofen!» Dann sprach er nichts mehr, denn die andern hatten seiner nicht geachtet. Nach einer Weile fing er wieder an: «Oh Ofen, Ofen, dürfte ich reden!» Das hörten nun die Gesellen und schnauzten ihn an und sprachen: «Was treibst du da für Possen hinter dem Ofen? Was hat er dir getan? Bist du ein Narr oder was bist du?» Da sprach er: «Ach, nichts, nichts, ich sage nichts I» Bald aber fing er zum drittenmal an und sprach: «Oh Ofen, Ofen, ich muß dir klagen, denn ich darf es sonst keinem Menschen sagen. Da sind die Leute, die sammeln sich unter dem großen Schwibbogen unter der Egg und wollen diese Nacht, wenn es ihnen nicht bald gewehrt wird, ein Morden in dieser Stadt vollbringen, das sage ich dir Ofen in Wahrheit.» Da die Gesellen das hörten und von dem Knaben vernahmen, fragten sie nicht weiter nach ihm, sondern brachen schnell auf und machten das Gehörte allenthalben in der Stadt kund, daß jedermann gewarnt war und dem Unheil zuvor kam. Wie es denen erging, die solchen Mord vorhatten, will ich nicht weiter erzählen. Ein jeder möge sich vor Augen halten, daß ihnen nichts geschenkt wurde.
Quelle: Luzerner Sagen. Gesammelt und erzählt von Kuno Müller.
Zeichnungen von Godi Hofmann.
Verlag: Eugen Haag, Luzern, 1974.